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Presse

Raumschiff zu Gott

Ein langes Schiff, ein Turm mit spitzem Dach, darauf ein Kreuz oder ein Hahn. In etwa so sieht wohl jede Kinderzeichnung einer Kirche aus. Die entsprechenden Vorbilder finden sich landauf und landab. Doch es gibt auch Ausnahmen, viele sogar. Und fast wagt man zu sagen, gerade bei Gotteshäusern, in deren Wänden nicht nur Progressives gepredigt wird, haben viele Beteiligte Mut bewiesen.

Zum Beispiel in der Seegemeinde Kilchberg. Nein, die Rede ist nicht von der reformierten Kirche auf der Anhöhe, welcher die Gemeinde ihren Namen verdankt und die Heiratswillige anzieht, weil die Aussicht als Hintergrund für ein Hochzeitsfoto nicht besser sein könnte. Die Rede ist vom katholischen Pendant mitten im Dorf, denn dieser der heiligen Elisabeth geweihte Bau ist ein architektonischer Wurf. Vor dieser Kirche staunen Kinder, sie tippen auf einen Wal oder ein futuristisches Schiff.
In der Tat bricht die Kirche mit den gängigen Vorstellungen. Der Grundriss ist quadratisch und diagonal ausgerichtet, das Haus hat kaum Fenster und besteht hauptsächlich aus einem Dach mit zwei hyperbelförmig geschwungenen Hälften. Zwischen diesen klafft wiederum ein tropfenförmiger Raum, durch den Licht in den Innenraum fällt. Je nach Blickwinkel hat das Dach etwas von einer Blüte oder von Napoleons Zweispitz.
Das Zauberwort heisst Beton: Ein Betongitter hält die Konstruktion, aus Beton sind auch die Dachschalen. Bei der Renovation wurden sie allerdings mit einem Kupferblech verkleidet. Der Glockenturm steht getrennt von der Kirche. Genau deshalb kann sich dieser in seiner schlichten Form voll entfalten. Er erinnert an eine hoch aufgeschossene Krone. Baumaterial: Beton.
Das ganze Ensemble trägt die Handschrift des 2007 verstorbenen Zürcher Architekten André M. Studer. Stets war dieser darauf bedacht, Harmonik in seine Architektur einfliessen zu lassen. Im Alter wandte er sich ganz dem Pendeln zu. Vielleicht hat er sich gerade deswegen als Kirchenbauer einen Namen gemacht. Der Prototyp für St.Elisabeth steht in Uster, ähnlich aufgebaut, aber ein Stück weniger vollendet.
1967 konnte Studer den Bau in Kilchberg einweihen. Er war nicht nur die Antwort auf die steigende Zahl von Katholiken im Dorf, er steht bis heute für jene schnelle, aufstrebende Zeit der 60er-Jahre. Eine Zeit, in der man sich noch unbekümmert zu Ungewohntem und Grossem hinreissen liess.
Ev Manz
GPS-Koordinaten: 47.320376, 8.543273
Quelle: Tages Anzeiger vom 5.11.2015

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Wikipedia-Artikel über unsere Pfarrkirche St. Elisabeth Kilchberg, Zürich
Autor: Markus Weber, mitarbeitender Priester in der Pfarrei Maria Frieden Dübendorf